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Zur Pluriformität der Abendmahlsfeier mit Einzelkelchen

Die Corona-Pandemie hatte eminente Auswirkungen auf das gottesdienstliche Leben der Kirche. Bis heute gibt es Nachwirkungen, die sich nicht zuletzt in der Feierpraxis des Gottesdienstes, insbesondere des Abendmahls, niedergeschlagen haben.

In den Prädikantenkursen, in denen die angehenden Prädikantinnen und Prädikanten auch praktische Einheiten zum Abendmahl durchlaufen, kommen wir über die unterschiedlichen Praktiken in den Gemeinden ins Gespräch. Dabei spielen ästhetische, pragmatische und theologische Aspekte eine Rolle. Immer wieder ist es überraschend zu hören, welche Praktiken sich im Lauf der Zeit eingespielt haben. Viele Praktiken weisen starke Ähnlichkeiten auf, die sich praxeologisch aus der Sache selbst ergeben. Andere Praktiken stellen signifikante Abweichungen dar. In den Gesprächen überlegen wir das Für und Wider der Praktiken, woraus dann Einsichten in ihre unterschiedliche gelagerten Plausibilitäten entstehen.

Weil die einzelnen Schritte von der Gabenbereitung über die Austeilung bis zur Entlassung ineinandergreifen steigen wir relativ willkürlich bei einem Punkt ein und kommen darüber auf weitere Punkte zu sprechen.

 

 

Austeilen

Ganz unabhängig von der Frage, welches Geschirr für den Zweck angemessen erscheint und in den einzelnen Gemeinden verwendet wird, steigen wir mit der logistischen Frage ein, wie die Einzelkelche an die Kommunikantinnen und Kommunikanten ausgeteilt werden. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Austeilung des Brotes in einer gewohnten Weise vonstatten geht. Nur äußerst selten ist die Praxis zu sehen, dass beides miteinander ausgeteilt wird. Dafür gibt es natürlich auch Gründe; wir gehen darauf aber an dieser Stelle nicht ein, sondern widmen uns der Austeilung der Einzelkelche. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die manchmal auch mit der Frage nach „Wein“ oder „Saft“ kombiniert werden. Im Folgenden gehen wir außerdem davon aus, dass sich die Gemeinde in einem Abendmahlskreis im Altarraum versammelt und dort „Brot“ und „Wein“ empfängt.

Wir gehen also davon aus, dass eine ganze Reihe von gefüllten Einzelkelchen auf einem (Servier-)Tablett stehen, das von einer Person getragen wird. Diese Person übergibt dann von dort aus im Abendmahlskreis an die Kommunikantinnen und Kommunikanten einen gefüllten Einzelkelch. Da viele gefüllte Einzelkelche mitunter nicht leicht zu handhaben sind, hat sich in einigen Fällen die Praxis ergeben, dass zwei Personen im Abendmahlskreis unterwegs sind: Während die eine Person das Tablett mit zwei Händen hält, kann die andere Person den Einzelkelch austeilen.

In anderen Fällen ist es nach wie vor so, dass es nur eine austeilende Person gibt. Es ist sicher nicht undenkbar, ein Tablett mit Einzelkelchen auch nur mit einer Hand zu tragen bzw. auf der Handfläche zu balancieren und mit der anderen Hand die Einzelkelche auszuteilen. Dort, wo das aber zu heikel erscheint, werden die Kommunikantinnen und Kommunikanten aufgefordert, sich den Einzelkelch selbst vom Tablett wegzunehmen. Das stellt zumindest theologisch die Frage, um was für einen Akt es sich dabei handelt: Wird dadurch der Charakter des Abendmahls als die „ultimative Gabe“ nicht missverstanden, weil man sich diese Gabe nicht nehmen, sondern nur geben lassen kann? Andererseits wird das Spendewort oftmals mit der Aufforderung eingeleitet: Nimm hin… Insofern erhält auch die Geste des Nehmens eine gewisse Legitimation.

In diesem Zusammenhang kann es dann üblich sein, dass auf dem Tablett zwei unterschiedlich gefüllte Einzelkelche zur Verfügung stehen: Einzelkelche mit Traubensaft und Einzelkelche mit Wein, die nach der Farbe der Flüssigkeit unterschieden werden. Entweder werden die Kommunikantinnen und Kommunikanten dann beim Austeilen gefragt, ob sie „Wein“ oder „Saft“ bevorzugen oder sie werden dazu aufgefordert, sich selbst den entsprechend gefüllten Einzelkelch zu nehmen.

Eine eher seltene und für die allermeisten Prädikantinnen und Prädikanten nicht in Frage kommende Variante ist die des Eingießens. Dabei werden leere Einzelkelche ausgeteilt und vor Ort, d.h. in der Hand der Kommunikanten, durch Personen, die mit Abendmahlskannen im Abendmahlskreis herumgehen, mit Wein oder Saft befüllt. Dafür werden dann aber besondere Kannen verwendet, deren Tülle das präzise Eingießen erleichtert.

Bereiten

Diese zuletzt genannte Praxis des Austeilens, so selten sie auch vorkommen mag und so hohe Ansprüche sie an die Handhabung stellt, wirft freilich die Frage nach dem Zusammenhang der ausgeteilten Abendmahlsgaben, in diesem Fall von „Wein“ oder „Saft“, auf. Dabei ist diese Frage nach dem Zusammenhang mit der Frage nach der Gemeinschaft verbunden. Jedenfalls, so der Eindruck, soll das Befüllen der Einzelkelche in der Hand der Kommunikantinnen und Kommunikanten zumindest symbolisch vermitteln, dass alle am selben Anteil haben. Im Hintergrund dürfte die sicher nicht nur ästhetische Frage stehen, wie sich die beim Abendmahl entweder auf dem Altar oder auf einer Kredenz längst bereitstehenden mit „Wein“ oder „Saft“ befüllten Einzelkelche zu der Einsetzung des Abendmahls, die ja nach wie vor mit einem (Gemeinschafts-)Kelch praktiziert wird, verhalten. Offensichtlich wird hier ein Zusammenhang vermisst, bzw. es soll deutlich gemacht werden, dass auch der „Wein“ oder der „Saft“ in den Einzelkelchen mit-konsekriert sind, auch wenn das Kelchwort nur über den (Gemeinschafts-)Kelch gesprochen werden.

Freilich, so der Einwand, war und ist das bei der bisherigen und wiedereingeführten Praxis des (Gemeinschafts-)Kelchs auch nicht anders der Fall, gerade wenn im Regelfall mehrere Kelche zum Einsatz kommen. Auch hier wird nur ein Kelch pars pro toto für alle Kelche, d.h. eigentlich dessen Inhalt, gesegnet – und nicht auch noch der „Wein“ oder der „Saft“ in den Abendmahlskannen. Gelegentlich kann man allerdings beobachten, dass alle Kelche und Kannen, die auf dem Altar stehen, mit einem Kreuz bezeichnet werden.

Mit anderen Worten: Bei der Praxis der Einzelkelche verhält es sich nicht anders wie bei der Praxis des (Gemeinschafts-)Kelchs. Auch wenn auf dem Altar vielleicht nur wenige Einzelkelche stehen können, so gelten sie doch ebenfalls, wie diejenigen, die auf einer Kredenz neben dem Altar stehen, als konsekriert. Dennoch ist das Anliegen, hier einen sichtbaren Zusammenhang herzustellen verständlich. Wer diesem Anliegen nachkommen möchte, der könnte anstelle des (Gemeinschafts-)Kelches, über dem das Kelchwort gesprochen wird, einen sog. Gießkelch verwenden. Der Gießkelch hat eine Tülle zum Ausgießen. Nach dem Kelchwort könnten dann sichtbar, aber immer noch symbolisch, aus dem Gießkelch einige bereitstehende leere Einzelkelche befüllt werden, die dann ebenfalls mit ausgeteilt werden.

Kommunizieren

Egal, auf welche Weise nun der Einzelkelch in die Hand der Kommunikanten gelangt ist, regelmäßig wird dabei die Frage aufgeworfen, ob es angemessener ist, den Einzelkelch sofort auszutrinken, oder zu warten, bis alle Kommunikantinnen und Kommunikanten einen Einzelkelch in der Hand halten, um dann im Abendmahlskreis gemeinschaftlich zu trinken.

Im Hintergrund steht die bereits weiter oben angesprochene Frage nach der Gemeinschaft im Abendmahlskreis. Diese Gemeinschaft ist in der bisher gewohnten Praxis des (Gemeinschafts-)Kelches symbolisch so dargestellt worden, dass alle aus einem Kelch trinken. Wobei einschränkend hinzugefügt werden muss, dass auch der (Gemeinschafts-)Kelch in der Regel nach der vierten Kommunikant:in ausgetauscht worden ist, ganz zu schweigen von der Praxis der Intinctio, so dass die Anmutung der Gemeinschaft aufgrund ein- und desselben Kelches schon auf diese Weise zumindest gebrochen war.

Im Austausch mit den Prädikantinnen und Prädikanten überwiegt regelmäßig nahezu einhellig die Ansicht, dass ein gemeinschaftliches Trinken aus dem Einzelkelch, zumal dann, wenn es sich um Gefäße handelt, die eher an Schnapsgläser erinnern, in einer unguten Weise eine Stammtischatmosphäre befördert. Von daher wird für ein sofortiges Austrinken des Einzelkelches plädiert.

Dies führt uns auf die relativ zu Beginn zurückgestellte Frage nach dem Geschirr zurück, das bei einem Abendmahl mit Einzelkelchen verwendet wird. Nicht zuletzt hat sich hier eine gewisse Vielfalt entwickelt, die auch davon abhängig ist, wie viel eine Kirchengemeinde zu investieren bereit ist. Neben Metall und Glas finden sich auch Kelche oder Becher aus Ton. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zu den Empfehlungen des Kunstreferats der ELKB, die von Abendmahlsgeschirr aus Ton ausgerechnet aus hygienischen Gründen abraten, obwohl doch gerade Einzelkelche aufgrund eines höheren Anspruchs an die Hygiene verwendet werden.

Zurückgeben

Dem Austeilen entspricht in mancherlei Hinsicht das Zurückgeben. In einigen Fällen folgt auf das Tablett mit den gefüllten Einzelkelchen ein von einer weiteren Person getragenes leeres Tablett, auf das die Einzelkelche wieder abgestellt werden können. In anderen Fällen werden sie beim Verlassen des Abendmahlskreises auf bereitstehende Tische zurückgestellt.

Fazit

Nach der Corona-Pandemie haben sich viele Kirchengemeinden für den Einsatz von Einzelkelchen entschieden und zu einer Vielfalt ihrer praktischen Handhabung gefunden. Im gegenseitigen Austausch kann eine sinnvolle und stimmige Praxis gefunden werden, die nicht nur einer würdigen Feier des Abendmahls, sondern auch den örtlichen Gegebenheiten des Kirchenraums entspricht. Auch wenn es eine Tendenz der Rückkehr zum Gemeinschaftskelch gibt, so dürften viele Kirchengemeinden dennoch bei der Praxis des Einzelkelches bleiben.

Ein Blog von Dr. Thomas Melzl,  Referent im Gottesdienst-Institut der ELKB