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Die Rede von den Geschlechtern auf der Kanzel

„Frau Pfarrerin, ich hätte da einmal eine Frage: Wieso haben Sie in der Predigt heute von Jüngerinnen und Jüngern gesprochen, wo es doch in der Bibel gar keine weiblichen Jüngerinnen gibt?“ -  So sprach mich vor einigen Jahren eine Dame nach dem Gottesdienst an. Wir kamen ins Gespräch. Lasen gemeinsam im Lukasevangelium über Maria, Johanna und Susanna. Sprachen über Maria und Martha, die Familie Jesu und all die anderen Frauen, die Jesus nachfolgten und seine Schülerinnen waren, wenn sie freilich nicht zu den „Zwölf“ gezählt werden.

Seit diesem Gespräch bin ich mehr denn je überzeugt: Es ist eben nicht egal, wie wir mit den Geschlechtern in unserer Sprache umgehen. Wer nicht genannt wird, der wird übersehen.  „Mitgemeint“ mag mit Blick auf das generische Maskulinum grammatikalisch richtig sein, gesellschaftlich und in Bezug auf die Gemeinde ist es mindestens problematisch, wenn nicht falsch.

Aber wo es doch einfach darum gehen könnte, die Wirklichkeit möglichst angemessen und präzise zu beschreiben, geht es viel zu oft um Politik, Haltungen und Rechthaben. Beim Gendern oder Nicht-Gendern kann man es nur falsch machen. Irgendjemand ist immer sauer. Schlechte Voraussetzungen für die Kanzelrede, die so wenig Ablenkung wie möglich gebrauchen kann. Was nun also tun?

  • Überprüfen Sie Ihre Konkretionen auf Geschlechterklischees und wechseln Sie die Personengruppen durch. Es müssen nicht immer nur die Mütter sein, die trösten, das können auch Väter recht gut. Eine Ärztin und ein Krankenpfleger sollten nicht seltener vorkommen als ein Arzt und eine Krankenschwester.
  • Dies gilt vor allem auch für die Gottesbilder, die sie zur Sprache bringen. Lassen Sie sich vom Reichtum der Bibel inspirieren. 
    Da ist Gott Gebärende (Dtn 32,18; Num 11,12; Jes 42,14, Ijob 38,8;29), Stillende (Hos 11,4, 1Petr 2,2-3), Bäckerin (Mt 13,33 und Lk 13,20-21), Weisheit (Spr 1,20-33; 2,5.10; 3,2.16; 8,22-31; 9,1-6 u.a.; Weish 6,14-16; 8,9; 7,22 - 8,1; auf Christus bezogen: Mt 11,19.28- 30; Joh 1,1-18; 4,10-14; 6,30-35; 7,37; 8,23f; 12,44-48 u.a) und Geistkraft (z. B. Gen 1,2; Ez 37,1-14 und überall da wo der ruach weht).

 

Auf sprachlicher Ebene gibt es eine Vielzahl von Strategien für geschlechtergerechtes Schreiben und Sprechen. Ein Allheilmittel wird es – wen wunderts – auch hier nicht geben. Unsere Kreativität und unser Sprachgefühl sind gefragt.

  • Doppelpunkt, Mediopunkt, Gendersternchen und das schon altehrwürdige Binnen-I, vernachlässige ich hier. Zum einen empfiehlt der Rat für deutsche Rechtschreibung sie ausdrücklich nicht (s.u.). 
    Zum anderen erschweren sie die Sprech- und Hörbarkeit und stellen vor das ein oder andere grammatikalische Problem, das hier den Rahmen sprengt.
  • Am Anfang steht die Paarformbildung: Jüngerinnen und Jünger, Christinnen und Christen, usw.
    Stilistisch ist diese Form auf Dauer ermüdend und wenn Sie neben Männern und Frauen auch Personen weiterer Geschlechter abbilden wollen, ist diese Form nur unzureichend geeignet. Aber ab und zu mag die Paarformbildung nicht schaden.
  • Variieren Sie also auch mit substantivierten Partizipien und Adjektiven, Abstrakta, Abkürzungen oder geschlechtsneutralen Worten. Jüngernde gibt es freilich nicht, aber vielleicht Predigende (damit erledigt sich auch gleich das Aufzählen von diversen Amtsbezeichnungen und Berufsgruppen). Die liebe Gemeinde oder Gemeindeglieder, statt die lieben Brüder. Und der/die KV, der/die zugleich Vertrauensperson ist, geht notfalls schon auch.
  • Wenn Sie jetzt richtig in Fahrt gekommen sind, überlegen Sie, ob es eine Option ist, einen Satz anders zu formulieren. Dazu brauchen Sie sicher nicht den Rat eines anderen Geistlichen, es tut vielleicht auch ein Adjektiv anstelle der maskulinen Form und schon ist es ein geistlicher Rat. Kritiker werden Ihnen bei all den Versuchen, es anders zu machen immer begegnen, die mögen sie links liegen lassen und vielleicht eher auf die kritischen Stimmen hören. (Auch hier wurde aus dem männlichen Nomen ein Adjektiv.) Relativsätze ermöglichen ebenso erfreuliche Erlebnisse für Ihre Hörer, bzw. alle, die Ihre Predigt hören.
  • Dann gibt es einen sprachlichen Trick, der für die Predigt passt wie die Faust aufs Auge: Die Anrede.
    Machen Sie es persönlich, sagen Sie Du oder Sie! Das Gebot der Nächstenliebe gilt eben nicht nur für alle Christen, sondern ganz im speziellen für Sie! Interessenten an der Gemeindereise melden sich vielleicht nicht im Pfarrbüro, aber wenn Sie sich für die Reise interessieren, dann melden Sie sich dennoch gerne!

Sie sehen, da ist für jedermann – pardon, für alle, was dabei!

 

Ein Blog von Katharina Bach-Fischer, Referentin im Gottesdienst-Institut der ELKB

 

 

 

Literatur:

Diewald, Gabriele/Steinhauer, Anja: Gendern –ganz einfach!, Berlin 2019.

EKD, Sie ist unser bester Mann, Hannover 2020.
https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Sie_ist_unser_bester_Mann_Gendergerechte_Sprache_2020.pdf

Pressemitteilung des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 15.12.2023
https://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_PM_2023-12-15_Geschlechtergerechte_Schreibung.pdf

Antidiskriminierungsstelle des Bundes
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Geschlecht/Dritte_Option

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V.
https://dgti.org/